>> THE ESSENCE <<

Andrea Wirsching
Mein Leben ist Wein

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Mein Leben ist Wein und meine Wurzeln liegen in Franken, wo die Familie seit vielen Generationen in einem malerischen Ort Weinbau betreibt. Geboren in eine Generation, in der Frauen alle Wege offen stehen bin ich doch geprägt von den Grenzen eines traditionellen Frauenbildes. Diese Grenzen zwangen mich dazu, im wieder neu aufzubrechen. Das Studium der Geschichte schenkte mir einen neuen Blick auf die Welt. Als Frau eines Saar-Winzers wurde der Wein zum Beruf und ich genoss die Zeit als Mutter. Nach der Trennung übernahm ich die Verantwortung im elterlichen Betrieb, die ich in ein paar Jahren an meine Schwester weitergeben werde. Viele Themen bereichern mein Leben: nachhaltiger Weinbau, Wassermanagement, Christentum, Israel und koscherer Wein. Ich engagiere mich für Musik und integriere verschiedene Ehrenämter in unserem Ort in mein spannendes und buntes Leben.

Turbulenzen in der Familie brachten mich jedoch dazu, zunächst Geschichte zu studieren. Über diese Entscheidung bin ich im Nachhinein sehr froh, denn dieses Studium hat mir einen neuen Blick auf die Welt geschenkt. In der Zeit starb ganz plötzlich der Onkel, der zusammen mit meinem Vater das Weingut 25 Jahre lang geführt hatte. Daher fragte mich mein Vater, ob ich nach Hause kommen könnte. Das tat ich voller Begeisterung und lernte bei befreundeten Weingütern und in Fortbildungen das Fachwissen, das ich für die Leitung eines Weingutes brauchte. Es war schon damals ein großer Betrieb, Marketing und Verkauf wurden meine Leidenschaft. Aber gerade weil es ein großes und bekanntes Weingut war, war es gar nicht so einfach, einen Partner fürs Leben zu finden, denn „Prinzgemahl“ wollte keiner werden. Wenn ich also schon dem Weingut meine Familienaussichten opferte, wollte ich wenigstens sicher gehen, dass ich Mehrheitseigner wurde, um nicht nach 20 Jahren weggeschickt zu werden, sobald die kleinen Geschwister aus der zweiten Ehe meines Vaters groß genug waren. Mit diesem Ansinnen scheiterte ich, zog daraus die Konsequenzen und suchte mir einen anderen Job.

Wäre ich nicht die älteste Tochter, sondern der älteste Sohn gewesen, wäre es wahrscheinlich anders gekommen. Die Weinbranche war vor 30 Jahren immer noch sehr konservativ und Frauen waren eben nicht automatisch für die Betriebsnachfolge vorgesehen. Aber ich hatte Glück, denn bevor ich meinen neuen Job - eine Stelle in einem Weinhandel in Hongkong - antrat, begegnete mir mein späterer Mann, ein Winzer von der Saar. Als Christ, der ich inzwischen geworden war, war das für mich nicht „Glück“, sondern ein Geschenk des Himmels. Und so erfüllten sich in den nächsten Jahren viele meiner Herzenswünsche. Wir bekamen drei Kinder und nebenbei drehte sich mein ganzes Leben um Wein. Das Haus war voller Gäste, Kinder und Freunde, ich kochte, hielt Weinproben und fuhr durch die ganze Welt, um Wein zu verkaufen. Abends kümmerte ich mich um die Buchhaltung. Es war eine sehr glückliche Zeit. Nach 18 Jahren ging uns beiden dann aber doch die Luft aus und wir trennten uns.

Es war immer noch mein Vater, auf den ich bezogen war, und er freute sich sehr, als ich wieder nach Hause kam. Meine Geschwister aus seiner zweiten Ehe hatten ihre Berufsentscheidung getroffen und meine jüngere Schwester hatte den Weg ins Weingut eingeschlagen. Plötzlich waren wir drei Generationen in der Geschäftsleitung. Mit meinem Vater (77), mir (46) und Lena (22) als nachfolgender Generation lief das Ganze nicht ganz reibungslos, denn Lena hatte sich eigentlich darauf eingestellt, direkt nach meinem Vater zu übernehmen. Auf der anderen Seite braucht es ganz schön viel Erfahrung, um so ein großes Weingut zu führen, und die musste sie sich erst aneignen. Die Familiendynamik war für uns alle eine ziemliche Herausforderung. Als die Reihenfolge der Nachfolge geklärt war, konnte ich durchstarten und viele Themen mit Energie angehen. Zunächst machten Lena und ich noch zwei gemeinsame Projekte. Einen Wein namens Sister.Act aus urlten Reben, der anders ausgebaut wurde als unsere sonstigen Weine. Dazu kam ein Gin, den wir Wirgin nannten.

In dieser Zeit wurde ich auch Vorsitzende von Vinissima, einem Netzwerk von über 600 Frauen, die alle professionell im mit Wein arbeiten. Der intensive Austausch und die vielen Themen rund um den Wein bereicherten mich sehr. Dann begann ein großes Herzensprojekt mit Israel, denn wir wurden Mitglied der TWIN Wineries, einer großen Freundschafts-Initiative. In den folgenden Jahren flog ich oft zu unserem Partner Weingut Kishor in den Bergen von Galiläa. Dort entstand auch die Idee, einen koscheren Wein zu machen. In der Zeit meines Urgroßvaters und meines Großvaters lag der Weinhandel zum größten Teil in den Händen von jüdischen Weinhändlern in Kitzingen und Würzburg. An diese Geschichte wollte ich mit einem koscher Wein erinnern. Mittlerweile gibt es den Wein in der dritten Auflage.

Das nächste große Projekt war dann die Umstellung auf nachhaltiges Wirtschaften. Inzwischen bin ich im Vorstand von FAIR‘n GREEN und das inspiriert natürlich auch unsere Arbeit im Weingut. Die Umstellung auf viele grüne Maßnahmen, Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, neue Methoden im Weinberg und im Keller, Rodungen von Teilstücken unserer Weinberge, damit dort Hecken und Schutzräume für Vögel, Insekten und Reptilien entstehen können und vieles mehr. Bei Nachhaltigkeit geht es eben nicht nur um Produktion, sondern um Ressourcenverbrauch und den Umgang mit den Menschen. Wir haben fast 50 Angestellte, viele davon in Teilzeit, denn das ist wichtig für die Familien, auch wenn es für den Betrieb teurer wird.

Um mein neuestes Projekt kümmere ich mich als Vorsitzende des Iphöfer Weinbauvereins. Der Freistaat Bayern möchte ein großes Wasserkonzept entwickeln, um überschüssiges Süßwasser, das im Winter zu Überschwemmungen führt, in einer Schwammlandschaft zu speichern. Dazu hat er mehrere Pilotprojekte auf den Weg gebracht und eines davon ist in Iphofen. Dort soll im Winter ein Speichersee mit Hochwasser aus dem Main gefüllt werden, damit die Winzer in den Dürreperioden des Sommers die Notreife ihrer Trauben verhindern können. Da die Reben nur sehr wenig Wasser braucht, kann man mit kleinen Mengen eine große Kulturlandschaft retten. Langfristig sollen dieses Konzept entlang aller Flüsse umgesetzt werden, damit genügend Süßwasser für die Landwirtschaft, für die Städte, und privaten Gärten zur Verfügung steht und das Grundwasser geschont wird. Das Ganze wird sehr ideologisch und emotional diskutiert und ich lerne viel darüber, wie schnell falsche Informationen in Umlauf gebracht werden, vor allem mit Schlagworten, Halbwahrheiten und Bildern. Das erschreckt mich, denn als Historikerin hatte ich gedacht, Aufklärung wäre eine Selbstverständlichkeit.

Eine große Leidenschaft von mir ist die Musik und als Vorsitzende des Unternehmerkreises Mozartfest feiere und unterstütze ich dieses herrliche Festival, bei dem entlang des roten Fadens Mozart das ganze Spektrum menschlicher Existenz in der Musik beleuchtet wird. Ja, ich bin Winzerin und darf mich in meinem Leben mit vielen großen Themen beschäftigen: Menschen, Wein, Natur, Handwerk, Kultur, Umwelt, Vergangenheit und Zukunft - dafür bin ich sehr dankbar.

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